Neo-Orthodoxie
Jahrhunderte lang hatte in Deutschland die Orthodoxie geherrscht. In den Städten allerdings machen sich die Auswirkungen der Aufklärung und der offiziellen Gleichberechtigung der Juden auch in den Gemeinden bemerkbar. In den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts führte Rabbiner Nathan Marcus Adler (15.1.1803 bis 21.1.1890) in Oldenburg die ersten Neuerungen in der Orthodoxie ein. Sie sollten bald von der Mehrheit der orthodoxen Rabbiner akzeptiert werden: Adler hatte neben seiner Rabbinerausbildung die Universität besucht und promoviert, er erneuerte das gesamte Synagogen-, Schul- und Kultussystem. Er verbesserte die geistige Erziehung für Mädchen, er gehörte zu den ersten Rabbinern, die auf Deutsch predigten und für die Regierung beteten. Er trug, wie die evangelischen Pfarrer, einen Talar mit Beffchen. Für diese, an die Neuzeit angepasste Form der Orthodoxie, die Neo-Orthodoxie, schuf sein Nachfolger Samson Raphael Hirsch (20.6.1808 bis 31.12.1888) das theologische Fundament. Auch Hirsch betonte die Verpflichtung der Juden, gute Landesbürger zu sein, offen für die weltliche Kultur und für Juden und Nichtjuden gleichermaßen da zu sein. Er predigte Deutsch und trug Talar. Doch in der Ausübung der Religion ist er strikt: So sind alle 613 Ge- und Verbote der Tora (Mitzwot) einzuhalten.