Zerrbild des Juden, einige Worte zum Antisemitismus

Seit frühester Zeit sahen Nichtjuden das Judentum und die Menschen, die es praktizieren, als fremd und anders und damit oft gleichzeitig als minderwertig an. Schon die Griechen und Römer verurteilten die Weigerung der Juden, deren Götter zu akzeptieren und von ihren Vorschriften wie Beschneidung oder koschere Speisen abzuweichen. Eine sehr viel stärkere, hasserfüllte Ablehnung kam mit dem Christentum auf die Welt, das sich vom Judentum distanzieren und seine Glaubenspraxis als einzig Wahre etablieren wollte. Somit war dieser Judenhass zunächst einmal ein Antijudaismus. Eine Haltung, die nicht wahrhaben wollte, dass die christliche Religion ihre sozialethischen Vorstellungen vom Judentum übernommen hatte – immerhin war Jesus praktizierender Jude. Vor allem aber werfen die Christen den Juden vor, Jesus ans Kreuz geliefert und damit getötet zu haben. Sie sehen sie also als „Christusmörder“ an, was zeitweise zu grausamer Verfolgung führt. Über die Jahrhunderte versuchen Christen immer wieder, die Juden zur Taufe zu zwingen und ermorden sie, wenn sie es nicht tun. Besonders in den Kreuzzügen töten viele Juden sich selbst. Durchweg wird die jüdische Religion als das ‚Alte’ und somit ‚Überkommene’ angesehen, während das Christentum das Neue und nun allein Geltende ist. Ende des neunzehnten Jahrhunderts findet Wilhelm Marr für den mittlerweile etablierten Judenhass ein neues Wort – Antisemitismus. In dieser Zeit enden viele Bewegungen oder Theorien, über die diskutiert wird, auf ‚-ismus’, wie der Kommunismus oder Sozialismus. Wie der Forscher Dan Michman ausführt, will Marr also bewusst suggerieren, dass es hier um etwas wissenschaftlich Relevantes geht. So versuchte er, primitivem Judenhass ein intellektuell und wissenschaftlich anmutendes Fundament und damit breitere Legitimität zu verschaffen. Er führte den Gedanken des Rassenantisemitismus‘ ein, den die nationalsozialistische Bewegung aufgriff. Danach unterscheiden sich die Juden von Nichtjuden nicht durch Religion oder Kultur, sondern unterscheiden sich als minderwertige Rasse von anderen Rassen, die höherwertig einzustufen seien. Arier standen auf dieser Liste ganz oben. Selbst nach der Schoah hat sich das Bild der Juden als den „Anderen“ in vielen Köpfen gehalten. Und von Vorstellungen des alten Antijudaismus, der mühelos zum Antisemitismus wurde, haben sich viele ebenfalls noch nicht gelöst. Den ‚strafenden Gott’ des Alten Testaments zum Beispiel, das für die Juden die Hebräische Bibel ist, führen viele immer noch im Mund, und viele Nichtjuden können nicht akzeptieren, dass Juden an Gebräuchen wie der Beschneidung oder den Kaschrut, den Speisevorschriften, festhalten. Auch nach über 2000 Jahren ist der Antisemitismus in vielen Köpfen lebendig und in der Gesellschaft präsent.

 

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