Lebenslanger Dialog

Bemühungen zur Akzeptanz des Judentums

Schon Ende der siebziger Jahre drängt Trepp deutsche Universitäten, jüdische Studien einzuführen. Nicht nur denkt er, dass die Ethik des Judentums den Menschen noch etwas zu sagen hat, sondern er sieht es als die Aufgabe einer jeden Gemeinschaft, sich selbst und ihre Werte immer wieder zu hinterfragen und zu verbessern. Wenn die deutsche Kultur über Jahrhunderte auch nicht dazu bereit war, sei nun vielleicht die Zeit gekommen, dass sie von der jüdischen lernen könne, und umgekehrt. 1983 beruft die Universität Mainz Trepp als Gastprofessor und bestellt ihn 1988 zum Honorarprofessor. Er wird Mitglied der Evangelischen Fakultät. Und es kommen nicht nur Studenten zu seinen Vorlesungen und Seminaren. Trepp ist die Vielfalt seiner Hörerschaft wichtig. Wie mit seinen Büchern geht es ihm nicht nur darum, den Deutschen akademisches Wissen zu vermitteln – er hofft zudem, dass Wissen helfen wird, „das Zerrbild des Juden zu korrigieren“.

 

 

Trepp ist zu sehen mit einigen Schülern im Kindesalter
Trepp mit Schülern

 

Zerrbild des Juden, einige Worte zum Antisemitismus

Seit frühester Zeit sahen Nichtjuden das Judentum und die Menschen, die es praktizieren, als fremd und anders und damit oft gleichzeitig als minderwertig an. Schon die Griechen und  Römer verurteilten die Weigerung der Juden, deren Götter zu akzeptieren und von ihren Vorschriften wie Beschneidung oder koschere Speisen abzuweichen. 

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Trepp sitzt im Landtag in Mainz und wird begrüßt von einer Person
Trepp hält eine Rede im Landtag Mainz

 

Die meisten seiner Hörer sind Christen, in seinen letzten Jahren kommen vermehrt Muslime. Ihm ist wichtig, beiden Gruppen zu vermitteln, wie viel die drei monotheistischen Religionen gemeinsam haben. Wenn seine Studenten ethische Elemente des Judentums in ihren eigenen Religionen wiederfinden, so seine Hoffnung, werden sie nicht nur der jüdischen Religion, sondern auch den Juden gegenüber positiver und offener gegenüberstehen.

Christlicher und muslimischer Glaube – beide haben viel vom Judentum übernommen

Beide Nachfolgereligionen des Judentums, sowohl das Christentum wie auch der Islam, haben Elemente des Judentums übernommen. Beide sahen sich ursprünglich als weiterführende Religionen an, die das Judentum ablösen sollen. Heute setzen sich Vertreter aller drei monotheistischen Religionen mit dem Gedanken auseinander, dass sie miteinander und nicht gegeneinander arbeiten sollten...

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Konfrontation mit modernem Antisemitismus

Auch von den Kirchen erhofft er sich eine neue Sichtweise auf das Judentum. Wiederholt fordert er, dass sich Katholiken und Protestanten entscheiden, das, was sie das ‚Alte Testament’ nennen, nämlich die überlieferten jüdischen Texte, die ‚Hebräische Bibel’ zu nennen. Erst dann, argumentiert er, werde den Christen klar, dass die jüdische Religion eine lebendige, und dass das Judentum immer noch relevant ist.

Übergabe einer Tora
Tora Übergabe

 

In seinen letzten Jahren erfährt er, dass Antisemitismus immer neue Wege findet. In privaten Begegnungen lassen ihn Deutsche wissen, dass es Schluss sein müsse mit der Erinnerungskultur, für deren Existenz sie die Juden verantwortlich machen. Er erwidert, dass es nicht nur für die Juden, sondern auch für die Deutschen schwerwiegende Folgen haben werde, wenn diese das Bewusstsein der Verantwortung verlören. Ein geschichtsvergessenes Volk sei schwach, sagt er.

„Ein geschichtsvergessenes Volk ist schwach, weil Geschichte auch den Maßstab für künftiges Verhalten prägt. Ohne ihn aber schreibt ein Volk keine Geschichte mehr, sondern schaut auf eine Chronik von Ereignissen zurück.“ - Leo Trepp

 

Trepp sitzt im Publikum in der Universität Mainz
Trepp in der Universität Mainz

Zudem kritisieren immer mehr Gesprächspartner nicht nur die Politiker des Staates Israel, sondern attackieren die Idee des Zionismus und damit das Streben nach jüdischer Selbstbestimmung, und sie legen einen Maßstab an, den sie bei anderen Ländern nicht verwenden. Einige stellen die Legitimität des jüdischen Staates an sich in Frage oder unterstützen Gruppen und Bewegungen, die das tun. „Warum?“, fragt Leo Trepp. Für ihn zeigt sich darin eine feindselige Haltung den Juden gegenüber. Warum sonst stellt man für sie als einzigem Volk das Recht auf ein eigenes Land in Frage? Aus seiner Sicht liegt darin erkennbare Judenfeindschaft. Er glaubt, dass der Historiker Léon Poliakov Recht hatte, der schrieb, dass Israel der “Jude unter den Völkern” sei.

In seinen letzten zwei Lebensjahren konzentriert er sich darauf, über die Jahrtausende alte Verbindung zwischen dem jüdischen Volk und dem Land Israel zu lehren. Einige Wochen nach seinem letzten Vortrag, und nachdem er das Sommersemester für das folgende Jahr geplant hat, stirbt Leo Trepp am 2. September 2010 in San Francisco.

Die nicht rechtsverbindliche Arbeitsdefinition von Antisemitismus:

„Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort und Tat gegen jüdische oder nicht-jüdische Einzelpersonen und / oder deren Eigentum, sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen und religiöse Einrichtungen.”

Trepp im hohen Alter bei einem Vortrag
Einer der letzten Vorträge Trepps

 

 

 

 

 

Wann ist Kritik an Israel antisemitisch?

Im Herbst 2017 hat die Bundesregierung die Definition der International Holocaust Remembrance Alliance angenommen, die den gegen Juden gerichteten Hass in seinen verschiedenen Erscheinungen umschreibt. Damit sollen antisemitische Einstellungen schon möglichst früh erkannt und bekämpft werden.

Arbeitsdefinition von Antisemitismus