Ausbildung und Studium

Nach dem Abitur besucht Trepp zunächst für ein Jahr die Höhere Jüdische Akademie in Frankfurt und wechselt dann an das orthodoxe Rabbinerseminar in Berlin. Dort hören er und die anderen künftigen Rabbiner nicht nur Vorlesungen zum Talmud und zur Halacha, dem jüdischen Religionsgesetz, sondern belegen auch Kurse in Philosophie oder Erziehungswerk, daneben werden sie in die praktischen rabbinischen Tätigkeiten eingeführt. Die zukünftigen Rabbiner sollen lernen, die religiöse Arbeit mit der Kultur der Umwelt zu verbinden. Das Seminar steht ganz in der Tradition der offenen Orthodoxie. Sein Gründer, Rabbiner Esriel Hildesheimer, eckte mit seiner unangepassten Art sowohl bei seinen traditionell orthodox geprägten Rabbinerkollegen als auch bei den Liberalen an. Deren Modernisierungsversuche kritisierte er als zu weitgehend und gefährlich fürs Judentum. Um der Reform etwas entgegenzusetzen, etablierte er 1873 das Seminar, das er zu einem „Zentrum der modern-orthodoxen Intelligenz“ machen wollte. Mittlerweile ist es die wichtigste Ausbildungsstätte für Rabbiner in Europa, die fromm und traditionsbewusst sind und gleichzeitig in der Tradition der Moderne und Aufklärung stehen.

 

Porträtbild von Abraham Hesche
Rabbiner Nehemias Anton Nobel

Einen kurzen Fußweg entfernt, ebenfalls an der Artilleriestraße in Berlin, der heutigen Tucholskystraße, liegt die liberale Hochschule für die Wissenschaft des Judentums. Trotz ihrer verschiedenen religiösen Ausrichtung kooperieren die beiden Einrichtungen oft miteinander. Die Kontakte zwischen Lehrern und Studenten beider Schulen in Berlin sind auf manchen Ebenen eng. Einmal in der Woche halten alle ihre Professoren und Studenten einen gemeinsamen Gottesdienst in einer kleinen Synagoge in der Lessingstraße. Zwischen dem Talmudisten an der liberalen Hochschule, Chanoch Albeck, der ein hervorragender Mischna-Forscher ist, und dem Rektor des orthodoxen Seminars, Jechiel Jaakov Weinberg (1878 bis 1966), besteht eine innige Freundschaft. Abraham Joshua Heschel (11.1.1907 bis 23.12.1972), mit dem Trepp sich an Schabbatnachmittagen oft zu Spaziergängen Unter den Linden trifft, wird zwar an der liberalen Hochschule ordiniert, doch belegt er ebenso Kurse am orthodoxen Seminar. In den letzten Jahren, bevor beide Hochschulen von den Nationalsozialisten geschlossen werden, weiten sie die Zahl der Lehrveranstaltungen aus, die für alle Studenten zusammen angeboten werden, um das wenige verbliebene Geld und die Lehrkräfte zu Gunsten aller Rabbineranwärter einzusetzen. 

Rabbinerseminare

Vielen Juden waren die Neuerungen von Hirsch von der Orthodoxie hin zur Neo-Orthodoxie nicht weit genug gegangen. Abraham Geiger (22.5.1810 bis 23.10.1874) wurde zu einem Führer der Reformbewegung. Er sah in den Mitzwot Vorschriften, die jeder aus eigener Überzeugung einhalten kann und nicht aus einer auferlegten Pflicht heraus befolgen muss. Er trat für die völlige Gleichberechtigung der Frauen in Synagoge und Gemeindeleben ein.

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Samson Rafael Hirsch im Porträt mit Vollbart und Brille
Rabbiner Samson Raphael Hirsch

Im Zuge seine Ausbildung wird Trepp bald zu predigen beginnen. Die Lehrer des Rabbinerseminars ermutigen ihre Studenten, die Vielfalt der Berliner Gemeinde kennenzulernen. Wie in Mainz und fast überall in Deutschland vor der Schoah arbeiten die verschiedenen Synagogen in der Einheitsgemeinde zusammen. Diese zieht die Steuern von allen Mitgliedern ein und unterhält gemeinsame Einrichtungen. Das Judentum ist eine pluralistische Religion, und keine der verschiedenen Richtungen in Deutschland ist so radikal, dass eine Trennung notwendig erscheint. Trepp hat ein Zimmer bei einer Witwe am Tiergarten, und da er orthodox ist und an Schabbat die S-Bahn nicht benutzen kann, läuft er zu den Synagogen, für die Gemeinde und Seminar ihn eingesetzt haben. Wenn er in die Rykestraße oder die Synagoge im Grunewald muss, kann es schon mal über eine Stunde dauern, bis er dort ist.

Studium und Antisemitismus in Universitäten

Neben dem Seminar studiert Trepp Französisch und Philosophie an der Friedrich-Wilhelm-Universität, die später die Humboldt-Universität wird. Er hört Vorlesungen bei namhaften Professoren wie Nicolai Hartmann in Philosophie, der damals als bedeutender Vertreter des kritischen Realismus galt, und wählt in Romanik Eduard Wechssler, der seine Studenten in die moderne französische Literatur einführt. Trepp schreibt zahlreiche Seminararbeiten und bewältigt ein Doppelstudium. Von acht bis zehn besucht er das Rabbinerseminar, rennt dann hinauf zur Universität, wo er von halb elf bis nachmittags Vorlesungen hat. Oft arbeitet er bis tief in die Nacht hinein.

 

Trepp im Schlossgarten
Trepp auf der Schlosstreppe in Oberlauringen

Schon bevor die Nationalsozialisten an die Macht kommen, ist die Stimmung extrem judenfeindlich. Heute zählen Forscher Studenten in der damaligen Zeit zu den maßgebenden Unterstützern Hitlers. An der Friedrich-Wilhelm-Universität ist die Mehrheit der Professoren wie der Studenten nationalistisch eingestellt. Schon 1880 hatten Studenten ein Bündnis formiert, das in der Gründung eines Vereins deutscher Studenten mündete. Zusammen mit Vereinen mehrerer anderer Universitäten, schloss er sich ein Jahr später zum Kyffhäuser Verband der Vereine deutscher Studenten zusammen, der einen vehementen Antisemitismus vertrat. Bereits in den zwanziger Jahren war es gängig, jüdische und andere missliebige Studenten aus Vorlesungen zu vergraulen oder sie kurzerhand hinauszuwerfen, wie Trepp es mehrmals beobachtete. Zu seiner Zeit hat sich die Situation erheblich verschlimmert. Der Nationalsozialistische Studentenbund, 1926 gegründet, hatte bei den Wahlen zur Studentenschaft an 28 Universitäten bereits 1931 die absolute Mehrheit erhalten. 1932 fordern die Studenten seiner Hochschule, den Juden müsse zumindest verboten werden, sich in der Eingangshalle aufzuhalten. Mit derselben Haltung gehen die Studenten jüdische Professoren an, bald von höchster Stelle unterstützt. Am 30. Januar 1933 beobachtet Leo Trepp nach einer Vorlesung an den Fenstern der Universität den Aufmarsch der NSDAP Unter den Linden. Bald wird der Judenhass offizielle Staatsdoktrin werden.

Leo Trepp wird lange in Ruhe gelassen, bis eines Tages im Lesesaal einer der Bibliotheksmitarbeiter ihn fragt, was er dort mache, und ihn nach kurzer Zeit aus dem Arbeitsraum herauswirft. Das ist im Sommer 1934. Leo Trepp wird nicht an diese Universität zurückkehren.

Stattdessen geht er nach Würzburg, um seinem Bruder zu helfen. Gustav ist mittlerweile an das dort ansässige jüdische Lehrerseminar gewechselt, weil er den Hass, der ihm am Gymnasium in Mainz entgegenschlägt, nicht mehr aushält. Allerdings muss er bis Weihnachten allen Stoff aufgearbeitet haben, um weiterhin in der fortgeschrittenen Klasse bleiben zu können, in die der Rektor ihn erst einmal gesteckt hat. Leo soll ihm dem Wunsch des Vaters folgend Nachhilfe geben, um dieses Ziel zu erreichen. Gleichzeitig aber will Leo Trepp promovieren. Er schreibt sich mit der gelben Judenkarte an der Universität in Würzburg ein.

Gustav Trepp

GELBE JUDENKARTE

Am 25. April 1933 wird das Gesetz „gegen die Überfüllung der deutschen Schulen und Hochschulen“ verkündet, das es Juden erschweren soll, sich zu immatrikulieren. Von da an durfte der Prozentsatz der jüdischen Studenten nicht größer sein als ihr Anteil an der Bevölkerung in dem Staat, dem die Universität diente...

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Trepps Vater steht im Schlossgarten vor einem Haus
Trepps Vater mit seiner geliebten Zigarre.

 

Unterstützung durch Professoren
Porträtbild von Prof. Hämel
Prof. Adalbert Hämel

Seinen Doktorvater findet er in dem Romanisten Adalbert Hämel (28.10.1885 bis 11.12.1952), der damals sowohl Mitglied der Sturmabteilung (SA) wie auch der Schutzstaffel (SS) ist. Hämel ist überzeugter Katholik und beteuert seinem Doktoranden, er passe sich an, um seine jüdischen Studenten besser schützen zu können. Sie einigen sich auf das Thema: „Richeome, Montaigne, Taine und ihre Auffassungen von Religion und Kirche – ein Beitrag zur französischen Wesenskunde“.

Trepps Zweitprüfer, Karl Marbe (31.8.1869 bis 2.1.1953) ist, wie Trepp erst nach dem Krieg erfahren wird, ein weltweit bekannter Wissenschaftler, der von den Nationalsozialisten aufs Abstellgleis geschoben worden war.

PROFESSOREN IM WIDERSTAND

1937 tritt Hämel in die NSDAP ein. Besonders seine jüdischen Studenten werden nach dem Krieg vor der Entnazifizierungsstelle bestätigen, dass er sich äußerlich anpasste, um sie zu schützen. Nachdem er 1947 zunächst als „Mitläufer“ verurteilt wird, führen diese Aussagen 1948 zu seiner völligen Entlastung...

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Porträtbild von Prof. Marbe
Prof. Karl Marbe
 

Er prüft seinen Schützling in dessen beiden Nebenfächern, Psychologie und Philosophie. 1935 kehrt Leo Trepp als frischgebackener Doktor nach Berlin zurück, um das Rabbinerseminar zu beenden. Nach seiner Ordination will ihn die Gemeinde für die Synagogen in der Münchener und Passauer Straße einstellen, die er zusammen mit seinem von ihm verehrten Lehrer, Alexander Altmann, betreuen soll. Gleichzeitig bietet man ihm einen Lehrauftrag an der Hochschule an. Trepp allerdings entscheidet sich nach einigem Hin und Her, als Landesrabbiner nach Oldenburg zu gehen. Die 15 Landesgemeinden sind dringend auf einen neuen Rabbiner angewiesen, nachdem der vorherige im Jahr zuvor überraschend gestorben war.